Museum des öffentlichen Nahverkehrs der Wallonie 

Das Muse­um in einem ehe­ma­li­gen Straßen­bah­n­de­pot lädt ein, die Fahrzeuge (wieder) zu ent­deck­en, die anno dazu­mal in den Straßen von Liège verkehrten. Es zeigt rund 40 unter­schiedlich­ste Fahrzeuge: Kutschen, elek­trische Straßen­bah­nen und Trol­ley­busse. Sie lassen die Geschichte der Mobil­ität vom 18. Jahrhun­dert bis heute Revue passieren. Gezeigt wer­den auch Uni­for­men, Mod­elle und Originaldokumente.

Vor 1830

Ende des 17. Jahrhun­derts war Lüt­tich mit über 50.000 Ein­wohn­ern nach dama­li­gen Maßstäben bere­its eine Großs­tadt. Die Straßen waren eng und ver­winkelt, was den Verkehr nicht ger­ade ein­fach­er machte. Die Bürg­er arbeit­eten jedoch vor­wiegend zu Hause oder reis­ten zu Fuß, zu Pferd, mit dem Kar­ren oder mit der Kutsche, ein öffentlich­er Nahverkehr war prak­tisch unbekannt.

In Zuge der bel­gis­chen Unab­hängigkeit und der begin­nen­den indus­triellen Rev­o­lu­tion erlaubten es die ersten Dampf­maschi­nen den Unternehmen, sich nicht nur an Flus­sufern, son­dern auch in der Stadt niederzu­lassen. Die Auswirkun­gen waren nicht nur wirtschaftlich­er und sozialer, son­dern auch städte­baulich­er Art und zogen neue For­men der Mobil­ität nach sich.

1830 bis 1880

Die Fab­riken wur­den immer größer und benöti­gen immer mehr Arbeit­skräfte. Man zog näher an die Stadt her­an, um sich samt Fam­i­lie in der Nähe ihres Arbeit­splatzes niederzu­lassen. Dies war der Beginn der Landflucht.

Gle­ichzeit­ig drang die Stadt immer mehr in das Umland vor. Inner­halb eines hal­ben Jahrhun­derts ver­dop­pelt sich die Bevölkerung auf über 120.000 Ein­wohn­er. Straßen wur­den neu angelegt, ver­bre­it­ert oder begr­a­digt. Boule­vards erset­zen ehe­ma­lige Arme der Maas. Die Dampf­schiff­fahrt auf der Maas wurde entwick­elt und die Eisen­bahn ausgebaut.

Die Ein­führung der Straßen­bahn mit Pfer­deantrieb im Jahr 1871 markiert den eigentlichen Beginn des öffentlichen Nahverkehrs in den Städten. Zuvor gab es bere­its Omnibusse, die vom Bahn­hof Ans in die Innen­stadt fuhren. Dieser Ser­vice war jedoch alles andere als zuver­läs­sig und wenig organisiert.

1880 bis 1950

Die Weltausstel­lung von 1905 hat­te großen Ein­fluss auf die Entwick­lung der Stadt. Die bei­den Weltkriege und die Wirtschaft­skrise der 1930er Jahre waren jedoch nicht ger­ade förder­lich für eine Poli­tik der großen Bau­vorhaben. Die Ini­tia­tiv­en betrafen vor allem den Aus­bau und die Nutzung der Maas.

Um 1881 taucht­en die ersten dampf­betriebenen Straßen­bahnen auf. Mit Aufkom­men der Elek­triz­ität wurde im August 1893 die erste elek­tri­fizierte Straßen­bahn­lin­ie in Betrieb genommen.

Trotz der unruhi­gen wirtschaftlichen und poli­tis­chen Lage wuchs das Netz stetig und erre­ichte am Vor­abend des Zweit­en Weltkriegs seinen Höhep­unkt. Die Ein­führung der Trol­ley­busses in den 1930er Jahren ermöglichte es, auch Vier­tel mit steilen und kurvi­gen Straßen zu bedienen.

1950 bis Ende der 1970er

Nach dem Zweit­en Weltkrieg ent­stand sehr schnell die Idee, Lüt­tich zur Haupt­stadt ein­er regionalen Metro­pole zu machen. Man glaubte, damit den Nieder­gang der Stadt aufhal­ten und ihre wirtschaftliche Posi­tion fes­ti­gen zu kön­nen. Der Pla­nungss­chw­er­punkt lag jedoch auf ein­er auto­gerecht­en Stadt, nicht auf den öffentlichen Verkehrsmit­teln. Boule­vards und Kais wur­den in Schnell­straßen umge­wan­delt, und man plante sog­ar, den Fluss Déri­vafion zu über­bauen. Die Straßen­bahn wurde als alt­modisch und nicht mehr zeit­gemäß ange­se­hen. Auch war zu dieser Zeit Öl gün­stiger als Strom. 1968 ver­schwand die Straßen­bahn voll­ständig aus dem Großraum Lüt­tich, drei Jahre später wurde mit der Abschaf­fung des Trol­ley­busses auch das Ende des elek­trischen Net­zes eingeläutet.

Die Ölkrise von 1973 und die aut­ofreien Son­ntage been­de­ten die opti­mistis­chen Jahre der Gold­e­nen Sechziger. Lüt­tich ver­lor an Ein­fluss auf der poli­tis­chen Bühne Bel­giens und erlebte schwere wirtschaftliche und soziale Schocks.

1980 bis heute

Wie viele andere Städte, vor allem in Frankre­ich, bekommt auch Lüt­tich wieder eine Straßen­bahn, um der steigen­den Nach­frage und dem Entwick­lungs­be­darf der Metro­pole gerecht zu wer­den. Das gesamte Netz wird umstruk­turi­ert, von klas­sis­chen Bussen zur Fein­er­schließung von Stadtvierteln, über Buslin­ien mit hoher Pri­or­ität auf den Haupt­verkehrs­achsen bis hin zum Hochleis­tungsverkehr, der auf eigen­er Strecke verkehrt.

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Anfahrt und Kontakt 

Museum des öffentlichen Nahverkehrs der Wallonie

Rue Richard Heintz 9, 4020 Liège
+32(0)4–3619419, info@musee-transports.be
www.musee-transports.be
Besuch­stag: 3. März 2022
Autor: Rain­er Göttlinger