Typisch Franken 

Wenn sowohl die eigene Oper­a­tions­ba­sis als auch das angepeilte Aus­flugsziel in jew­eils fußläu­figer Ent­fer­nung zu einem Bahn­hof der­sel­ben Nahverkehrslin­ie S4 liegen, müßte man schon mit dem Klam­mer­beu­tel gepud­ert sein, wollte man diese Option nicht nutzen, erst recht in Zeit­en des Neun-Euro-Tickets.

Der Weg vom Bahn­hof durch die Baustelle und über eine Kreuzung zum Ein­gang des Ans­bach­er Hof­gartens sowie durch diesen hin­durch will zwar erst ein­mal gefun­den sein, ist aber durch blaue Trittsiegel auf dem Gehweg markiert. Es mag nicht der kürzeste Weg zur Orangerie sein, zweifel­los ist es aber der angenehm­ste, denn der Oranger­ie­garten zeigt sich um diese Jahreszeit in seinem schön­sten Gewand. Vor dem barock­en Pracht­bau ste­hend gilt es freilich noch, um diesen herumzu­laufen, denn der Ein­gang befind­et sich an der nicht ganz so schö­nen, weil fen­ster­losen Nord­seite. Ob das kleine Türchen wohl passier­bar ist? Ja, ist es. Ges­pan­nt betritt der Ver­fass­er also das zum Ausstel­lung­shaus umfunk­tion­ierte, im Inneren aber nach wie vor mit Kro­n­leuchtern behängte ehe­ma­lige Win­terquarti­er der mark­gräflichen Zitrusfruchtkulturen.

Die Annahme, dass die Ausstel­lung­steile links und rechts des Trep­pen­haus­es annäh­ernd gle­ich groß sein kön­nten, erweist sich als trügerisch: der Overtüre zur Recht­en fol­gt ein weitaus umfan­gre­icher­er Teil zur Linken. Bei­de sind aber so attrak­tiv und abwech­slungsre­ich gestal­tet, dass man genü­gend Zeit mit­ge­bracht haben sollte für all die The­men, die mit aus­ge­sucht­en Exponat­en jew­eils einen Haup­taspekt der fränkischen Seele ver­an­schaulichen. Also jenes Gefühl, das die Erlanger Sport­mod­er­a­torin Katrin Müller-Hohen­stein so aus­drückt: „fei, allmächd, fral­li, horngs und edz­erd­la – wenn ich diese Worte höre, weiß ich, ich bin daheim.”

Dabei fällt die Frage nach dem typ­isch Fränkischen je nach Herkun­ft ganz unter­schiedlich aus, was wiederum ein Indiz für die aus der Geschichte kom­mende Vielfalt Frankens ist. Um 1800 wurde dann ein großer Teil der fränkischen Herrschaften dem Kön­i­gre­ich Bay­ern zugeschla­gen, die Begeis­terung dafür hielt sich bei den Franken sehr in Grenzen.

Ein eigen­ständi­ges Herrschafts­ge­bi­et war Franken allerd­ings auch vorher schon nicht. Zwar gab es von 1500 bis 1806 den Fränkischen Reich­skreis, seine einzel­nen Fürsten- und Her­zogtümer, die Reichsstädte sowie die Gebi­ete der etwa 200 Reich­srit­ter unter­standen jedoch direkt dem Kaiser.

Die Mark­grafen

In Adel­skreisen war man zudem quer über Europa hin­weg miteinan­der ver­schwägert: der „wilde” Mark­graf Carl Wil­helm Friedrich von Bran­den­burg-Ans­bach etwa war aus Staat­srä­son mit Friederike Luise von Preußen, ein­er Schwest­er Friedrichs des Großen, ver­heiratet, liebte jedoch eine ein­fache Frau aus dem Volk. Auch sein Sohn Mark­graf Alexan­der, Namenspa­tron der Erlanger FAU, hielt sich neben sein­er Ange­traut­en eine Mätresse und dank­te 1791 schließlich ab, um in zweit­er Ehe mit ein­er englis­chen Schrift­stel­lerin in Eng­land glück­lich zu wer­den. Seine Fürsten­tümer trat der kinder­lose Hohen­zollern­sproß an Preußen ab.

Die neue preußis­che Herrschaft wurde damals dur­chaus pos­i­tiv gese­hen, denn deren mil­itärische Stärke bot Schutz vor den Auswirkun­gen der Franzö­sis­chen Rev­o­lu­tion. Aber dann kam Napoleon, und die fränkischen Gebi­ete fie­len Zug um Zug an das mit dem großen Fran­zosen ver­brüderte Bay­ern. Aber das ist eine andere Geschichte und wird ander­swo berichtet.

Die Sta­tio­nen

In der Lan­desausstel­lung führt der Par­cours nun durch die kul­turellen Zen­tren des Franken­lan­des, begin­nend rund um Würzburg, dann über Weißen­burg und Wind­sheim, das Fichtel­ge­birge, das Bam­berg­er Klöster­land und den Spes­sart bis nach Aschaf­fen­burg, um schließlich im Anschluß an Coburg, Nürn­berg und Fürth auch die schreck­liche NS-Zeit zu berühren. Ganz an den Schluss haben die Ausstel­lungs­mach­er Bad Kissin­gen geset­zt, warum auch immer.

Beson­ders her­aus­gestellt und mit Orig­i­nal­ex­ponat­en belegt wer­den in der Ausstel­lung die Werke des Bild­schnitzers Tilman Riemen­schnei­der, die älteste bay­erische Uni­ver­sität, die Bis­chöfe der Fam­i­lie Schön­born, die Baut­en Balthasar Neu­manns, die Fränkische Toskana, die Reichsstädte, die Boden­schätze des Fichtel­ge­birges vom Gold über das Porzel­lan und das Glas bis zum Speck­stein, die Werke und Wortschöp­fun­gen des Dichters Jean Paul wie etwa Gänse­füßchen, Schmutzfink oder Angsthase, die Bam­berg­er Klöster, das Kloster Banz und seine astronomisch bewan­derten Mönche, die 1958 mit Lilo Pul­ver in der Haup­trol­le ver­filmte Geschichte um die Spes­sarträu­ber, das sich im Aschaf­fen­burg­er Pom­pe­janum zeigende Inter­esse für die Antike, die „Königswiege” Coburg und die Werke Mar­tin Luthers, die Herkun­ft des rot-weißen Rechens als fränkisches Wap­pen­sym­bol, die ersten Eisen­bah­nen, die Volksab­stim­mung im Freis­taat Coburg um die Zuge­hörigkeit zu Thürin­gen oder Bay­ern, das jüdis­che Franken, die fränkischen Marken­pro­duk­te von der Bratwurst über den Lebkuchen zur AEG-Waschmas­chine und den Grundig Heinzel­mann, die Nürn­berg­er Spielzeug­pro­duk­tion und schließlich die Auswüchse der NS-Zeit vom Wochen­blatt „Der Stürmer” über die Franken­t­age auf dem Hes­sel­berg bis hin zur Schreib­mas­chine mit SS-Taste. Wie gut, dass die Ausstel­lung nicht mit diesem unrühm­lichen Kapi­tel endet, son­dern den Blick noch ein­mal zurück richtet auf den Ort, der eben­falls Welt­geschichte schrieb: die Kurstadt Bad Kissin­gen und ihr promi­nen­tester Kur­gast Fürst Bis­mar­ck. Und auf die Veit­shöch­heimer „Fast­nacht in Franken”.

Und kuli­nar­isch betra­chtet? Natür­lich geht auch bei den Franken die Heimatliebe durch den Magen: fränkisches Bier, Schäufele, fränkische Bratwurst und natür­lich auch die Nürn­berg­er Lebkuchen sind in aller Welt bekan­nt und erzie­len bei der abschließen­den Besucher­be­fra­gung „was ist für Sie typ­isch fränkisch?” die höch­sten Zus­tim­mungsrat­en, wohinge­gen der Ver­fass­er mit seinem Votum für Dialekt und Tra­cht frus­tri­erend weit hin­ten landet.

Der Fuchs­garten

Aber ob Kul­tur oder Kuli­narik, das Franken­land lockt heute mit her­rlichem Wet­ter, und was läge da näher als ein Besuch im Fuchs­garten gle­ich nebe­nan, wo diesen Som­mer die Zutat­en für Bier und Bratwurst um die Wette wach­sen: nein, es geht hier wed­er ums Hauss­chwein noch um den Fuchs, der die Gans gestohlen hat, son­dern um Humu­lus lupu­lus (Hopfen) und Triticum aes­tivum (Weizen), Ori­g­anum majo­rana (Majo­ran) und Bras­si­ca oler­acea var. cap­i­ta­ta (Wirs­ing). Der Name „Fuchs­garten” bezieht sich näm­lich auf den berühmten Ans­bach­er Botaniker Leon­hard Fuchs (1501–1566), aller Welt bekan­nt durch die nach im benan­nten Fuchsien.

Gute drei Stun­den hat der Besuch in der zugegeben etwas kühlen Orangerie gedauert. Und was soll man anderes sagen als: es waren drei gut angelegte Stunden.

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Ausstellungsort (25.5. bis 0.11.2022)

Bayerische Landesausstellung 2022

Prom­e­nade 27, 91522 Ansbach
0981–953839‑0, sgvansbach@bsv.bayern.de
tägl. 9–18 (ab 1. Okt 10–16) Uhr
www.hdbg.de
Besuch­stag: 2. Juli 2022
Rain­er Göttlinger