Museen bei der Retro Classics 2022 

Eine Messe speziell für Old­timer-Fre­unde, da dürfte doch auch das eine oder andere Auto­mu­se­um mit ein­er tem­porären Außen­stelle zuge­gen sein, dachte sich der Ver­fass­er. Und er sollte nicht ent­täuscht werden.

Die Tech­nikmuseen Sin­sheim und Spey­er, im all­ge­meinen eher für ihre Großflugzeuge bekan­nt, rollen qua­si den Roten Tep­pich für die Muse­ums­be­such­er aus. Klas­sis­che Oldies aus der Wirtschaftswun­derzeit haben sie zwar keine mit­ge­bracht, dafür aber zwei mon­ströse Zwölfzylin­der-Ren­n­maschi­nen mit außen­liegen­den Zylin­derköpfen und eben­solchen Antriebsketten.

Bru­tus

Der V12-Motor mit 47 Litern Hubraum des Exper­i­men­tal­fahrzeugs „Bru­tus” war 1917/18 eigentlich für Flugzeuge gedacht und kam im Dornier Wal, in der DO-17, der Focke-Wulf A‑29 sowie der Heinkel HE-111  zum Ein­satz. Achsen, Getriebe und Kup­plung stam­men von einem Amer­i­can La France, der zwis­chen 1907 und 1908 gebaut wurde. Die Antrieb­skraft von 500 PS im Dauer­be­trieb (Kur­zleis­tung 750 PS) wird mit zwei Ket­ten auf die hin­teren Holzspe­ichen­räder über­tra­gen. Das Muse­um kon­stru­ierte diesen Ren­nwa­gen zwis­chen 1998 und 2006 im Stil entsprechen­der Fahrzeuge des frühen 20. Jahrhun­derts. Ein neben­ste­hen­des ähn­lich­es Mod­ell, der Packard-Bent­ley „Mar­vin” von 2010, ist eben­falls aus der Vere­ini­gung eines Weltkriegs-Bootsmo­tors mit einem Chas­sis aus den 1930er-Jahren her­vorge­gan­gen: das Einzel­stück ver­braucht 18 Liter Sprit. Pro Minute!

Zudem zieren Motor­räder mit ver­schieden­sten An- und Auf­baut­en sowie ein alter Lanz Bull­dog den Mess­e­s­tand der Sinsheim-Speyerer.

Ein Exponat aber scheint zunächst gar nicht so recht in diese Land­schaft zu passen: ein schräg gestell­ter VW Golf mit der Auf­schrift „U‑Boot“. Was es damit denn auf sich habe? „Nun, wir wer­den im kom­menden Jahr ein 11 Meter hohes U‑Boot auf einem Bin­nen­schiff ins Muse­um trans­portieren, und damit es unter den Brück­en hin­durch paßt, wird es zur Seite gekippt“. So wie dieses Auto hier? „Genau so. Und wenn Sie wollen, kön­nen Sie gle­ich hier auf dem Mess­e­s­tand aus­pro­bieren, wie sich ein kom­plet­ter Über­schlag anfühlt“. Sie meinen, im Auto sitzend? Richtig.

Zwei Minuten später find­et sich der Ver­fass­er am Steuer jenes besagten VW Golf wieder, der sich auch prompt beden­klich zur Seite neigt, und zwar nach rechts, dor­thin, wo die Hand die Kam­era hält und ergo nicht zum Abstützen taugt. Der Tipp sich anzuschnallen erweist sich als goldrichtig, dazu mit der Linken am Lenkrad fes­thal­ten, den Kopf gegen den Dachhim­mel stem­men und dann tapfer die Bek­lem­mung niederkämpfen, denn außer dem vol­len­de­ten Über­schlag gibt es jet­zt keinen anderen Weg mehr nach draußen, wo soeben ein paar Messebe­such­er kopfüber an der Hal­len­decke herumspazieren. Doch wom­it winken, wenn sämtliche ver­füg­baren Hände, näm­lich zwei, irgend etwas fes­thal­ten müssen?

Merks Motor Museum

Alle weit­eren Autos der Old­timer-Messe ste­hen nun aber fest auf ihren Rädern, meis­tens vier an der Zahl. Das Merks Motor Muse­um hat zum Beispiel einen schmuck­en Horch mit­ge­bracht. Der muss neu im Bestand sein, reflek­tiert der Autor seinen let­zten Besuch im einzi­gen Auto­mu­se­um Nürn­bergs. Wir haben ja zwis­chen­zeitlich auch ange­baut, so die schlüs­sige Erklärung.

Muss ja, denn neben dem Horch ste­hen ein schwarz­er Arm­strong Sid­de­ley Hur­ri­cane, gebaut zwis­chen 1946 und 1948 im britis­chen Coven­try, ein zwei Jahrzehnte jün­ger­er Mer­cedes 280 SL Pagode Typ W113 aus Stuttgart sowie ein mint­grün­er Daim­ler DB 18 Sport Saloon aus – nein, falsch ver­mutet: es gab bis 1960 auch in Eng­land eine Autoschmiede, die den Namen des genialen Schorn­dor­fers tra­gen durfte, sie ging später an Ford über.

Gle­ich nebe­nan hat ein weit­eres Auto aus dieser Epoche ein tem­poräres Dom­izil bezo­gen. Aussteller ist allerd­ings nicht das May­bach-Muse­um selb­st, son­dern die Stadt Neu­markt, in ihrer Funk­tion als Heim­statt der ehe­ma­li­gen Express-Werke, heute zugle­ich das weltweit einzige Marken­mu­se­um für Maybach-Fahrzeuge.

Von den großen bay­erischen Autoschmieden hat sich keine einzige in Nürn­berg einge­fun­den, jedoch zieren einige ihrer markan­testen Fahrzeuge den einen oder anderen Mess­e­s­tand. Sog­ar eine alte Tankstelle samt Zapf­säule hat den Weg nach Nürn­berg gefun­den. Eine Hun­dert­er­stelle für den Liter­preis war sein­erzeit übri­gens noch gar nicht vorgesehen.

Wohin ist eigentlich der Lanz Bull­dog ver­schwun­den, der vorhin noch den Stand der Tech­nikmuseen zierte? Draußen? Wieso draußen? Nun, weil man ihn hier in der Messe­halle nicht anlassen kann!“

Lanz Bull­dogg

Da ste­ht er nun also zwis­chen zwei Messe­hallen und wird geduldig mith­il­fe eines kleinen Petro­le­um­bren­ners vorgeglüht, denn anders springt so ein alter Diesel­mo­tor nicht an. Es verge­hen fünf oder auch zehn Minuten, unter­brochen von mehreren eben­so kräfti­gen wie verge­blichen Drehver­suchen am Schwung­rad, doch dann ist es endlich so weit: eine kräftige Rauch­wolke ausstoßend, erwacht der alte Herr zum Leben und tuck­ert zunächst noch ein Weilchen vor sich hin, ehe er schließlich vom Mas­chin­is­ten für eine Platzrunde in Bewe­gung gebracht wird. Rück­wärts wieder ein­parken? Damit die Räder rück­wärts drehen, muss der Motor erst ange­hal­ten und dann per Schwung­rad in die andere Drehrich­tung wieder ange­wor­fen werden.

Nun hat sich der 100-jährige eis­erne Ack­er­gaul aber eine Pause ver­di­ent. Vielle­icht sieht man sich ja in dem einen oder anderen Muse­um wieder.

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