Rangau-Handwerkermuseum 

Im ehe­ma­li­gen Pfar­rhaus, einem stat­tlichen Fach­w­erkge­bäude mit fre­itra­gen­dem Dachstuhl aus dem 17. Jahrhun­dert, hat der Heimatvere­in Zeug­nisse ein­er ver­schwun­dene Welt zusam­menge­tra­gen: Werk­stät­ten, die durch die Indus­tri­al­isierung und die Umrüs­tung auf mod­erne Maschi­ne­nan­la­gen über­flüs­sig wur­den, die Ausstat­tung ein­er Arzt­prax­is, einen Krämer­laden samt Ware­nange­bot und vieles mehr. Doku­men­tiert sind auch die Geschichte des Ortes, die Her­stel­lung von Blech­blasin­stru­menten, die Funde von Sauri­er­fährten sowie die Ver­di­en­ste über­re­gion­al bekan­nter Bürg­er der mit­tel­fränkischen Marktgemeinde.

Zen­traler Ort im Rangau

Markt Erl­bach wurde 1132 erst­mals erwäh­nt und darf also zu den ältesten Sied­lun­gen im Ran­gau gezählt wer­den. Am Kreuzungspunkt wichtiger Straßen gele­gen, prof­i­tierten der Ort und seine ansäs­si­gen Wirte und Handw­erks­be­triebe von den Durchreisenden. 1528 führt Mark­graf Georg der Fromme die Ref­or­ma­tion ein. Hun­dert Jahre später ver­wüstete der Dreißigjährige Krieg den Ort. 1791 wurde Markt Erl­bach preußisch, kam dann 1807 unter franzö­sis­che Besatzung und gehörte nur wenig später zu Bay­ern. Wirtschaftlichen Auf­schwung und Fortschritt erfuhr der Ort durch den Bau der Eisen­bahn 1902.

Der Boder

Im Mit­te­lal­ter befeuerte der Betreiber ein­er Bad­stube – der Bad­er – nicht nur das zen­trale Schwitzbad, son­dern küm­merte sich auch um Kör­perpflege, Hygiene und medi­zinis­che Ver­sorgung. Denn die Kirche unter­sagte 1163 im Konzil von Tours den meist the­ol­o­gisch vorge­bilde­ten Ärzten den Kon­takt mit Blut, so dass von da an der Bad­er zusät­zlich zum Haarschnitt und Rasur auch die „kleine Chirurgie” aus­führte: Wun­den ver­sor­gen, Brüche richt­en, Zähne reißen, schröpfen oder Klistiere set­zen. Er verkaufte und verabre­ichte auch selb­st hergestellte Medi­zin und bot Kün­ste wie „Ader­lassen” oder „Schröpfen” an, um kranke Säfte aus dem Kör­p­er zu leiten.

Anfang des 20. Jahrhun­derts lösten dann Ärzte, Zah­närzte, Friseure und Perück­en­mach­er die Bad­er ab, die Aus­bil­dung wurde eingestellt, und der Beruf starb aus. Im Volksmund aber blieb das fränkische „Boder” für den Friseur erhalten.

Das Spi­tal

Vom Bezirk­samt aufge­fordert, ein Spi­tal zu erricht­en, bestück­te die Gemeinde eine kleine Woh­nung mit einem ein­fach aus­ges­tat­teten Oper­a­tionsraum, der ort­san­säs­sige prak­tis­che Arzt über­nahm die Stelle des Kranken­hausarztes und führte ab da auch Oper­a­tio­nen durch, assistiert von einem Spi­tal- oder Kranken­wärter und später von ein­er aus­ge­bilde­ten Kranken­schwest­er. Für die Narkose waren ort­san­säs­sige Hebam­men zuständig. In erster Lin­ie ver­sorgte man Knochen­brüche und entzün­dete Blind­därme, nahm aber auch Ent­bindun­gen vor.

Die Apotheke

Nur wer finanziell dazu in der Lage war, kon­nte sich seine Medika­mente in der Apotheke kaufen, die Mehrzahl der ländlichen Bevölkerung behalf sich mit Haus­mit­teln, über­liefer­ten Rezep­turen und Heilkräutern. Für den Betrieb ein­er Apotheke brauchte es zudem eine behördliche Erlaub­nis. Der Apothek­er Friedrich Müller betrieb par­al­lel eine Spez­erei (Gewürzhand­lung), einen Eisen­han­del und eine Wein­schänke und stellte Min­er­al­wass­er her.

Die Handw­erk­er­stuben

Die wirtschaftliche Sit­u­a­tion des Ortes war von alters her vom handw­erk­lichen Mit­tel­stand geprägt. Neben der klein­bäuer­lichen Land­wirtschaft ver­sorgten zahlre­iche Handw­erk­er den Markt mit ihren Erzeug­nis­sen und Leis­tun­gen: vom Huf­schmied bis zum Schrein­er, vom Bad­er bis zum Schnei­der, vom Met­zger und Bäck­er bis zur Näherin, vom Büt­tner bis zum Wag­n­er, Schus­ter oder Uhrma­ch­er war alles vertreten und in Zün­ften organ­isiert. Auch die Bier­brauer waren stark vertreten. Kutsch­er, Gemeinde- und Post­boten, Gast­wirte und Kell­ner sowie Tagelöh­n­er kom­plet­tierten das Angebot.

Der Schmied stellte Gebrauchs­ge­gen­stände und Werkzeuge aus Eisen her und beschlug die Zugpferde im Ort. Vom 19. Jahrhun­dert an kam die Arbeit an Land­maschi­nen hinzu. Im Zen­trum der Werk­statt standen der Amboss und die Esse, Häm­mer, Zan­gen und Feilen hin­gen in Reich­weite. Mit den Pfer­den ver­schwand auch der Schmied aus dem Dorfbild.

Das Schus­ter­handw­erk zählt zu den ältesten Gew­erken über­haupt: sie waren für die Her­stel­lung led­ern­er Schuhe, San­dalen und Stiefel zuständig. Die tra­di­tionellen Handw­erk­szeuge des Schnei­ders sind Nadel, Faden, Schere und Bügeleisen, Schnei­derkrei­de, Maßband und Fin­ger­hut. Im 19. Jahrhun­dert wurde die Näh­mas­chine erfun­den und eingesetzt.

Der Uhrma­ch­er kon­stru­ierte Uhren, er repari­erte und wartete sie aber auch. Mit dem Aufkom­men indus­triell hergestell­ter Bil­liguhren erlebte der Beruf einen erhe­blichen Rückgang.

Bis ins 20. Jahrhun­dert waren vom Büt­tner hergestellte Fäss­er aus Holz gängige Behält­nisse: man lagerte und trans­portierte Wein und Bier, Sauer­kraut, gepökeltes Fleisch oder Essig darin. Büt­tner fer­tigten aber auch Krüge und Eimer. Der Wag­n­er wiederum baute Wagen, Kar­ren und Schlit­ten, deren eis­erne Teile vom örtlichen Grob­schmied stammten. Vom Schrein­er kamen Türen, Tis­che, Stüh­le, Schränke, Truhen, Vit­ri­nen, Bet­ten und Theken, aber auch Fen­ster­lä­den und in ländlichen Gegen­den sog­ar die Särge.

Zu den wichtig­sten Handw­erk­ern und Dien­stleis­tern im Ort zählen die Bäck­er – stell­ten sie doch das „,täglich Brot” für die Ein­wohn­er her. Die Ver­ar­beitung von Schlachtvieh war Auf­gabe der Met­zger: auf dem Land war es üblich, sich den Met­zger ins Haus zu holen. Das sorgfältig vor­bere­it­ete Schlacht­fest war ein beson­der­er Tag!

Nahrungsmit­tel, die man nicht sel­ber durch Hauss­chlach­tung und Anbau im eige­nen Garten ern­ten kon­nte, weil sie wie Kaf­fee, Kakao, Tee, Sago, Süd­früchte oder Gewürze aus den Kolonien kamen, kaufte man im Gemis­cht­waren­laden, wo es auch Seife und Putzmit­tel, Haushalts‑, Kurz- und Schreib­waren gab – und die neuesten Nachricht­en. Es herrschte ein ver­trautes Ver­hält­nis, und wer kein Geld bei sich hat­te, kon­nte anschreiben lassen.

Die jüdis­che Gemeinde

Jüdis­chen Mit­bürg­ern war der Broter­werb durch Han­del und Finanzgeschäfte erlaubt. Meist üben sie den Beruf des Vieh- oder Pfer­de­händlers, des Stoff- und Kurzwaren­händlers aus. Ab 1933 wur­den auch die 12 in Markt Erl­bach ansäs­si­gen Juden Opfer der nation­al­sozial­is­tis­chen Vertrei­bung, für acht von ihnen haben sich die Unter­la­gen ihrer Ermor­dung erhalten.

Söhne Markt Erlbachs

Jakob Trapp, 1895 in Markt Erl­bach geboren, erlernte schon früh am Nürn­berg­er Kon­ser­va­to­ri­um die Vio­line und studierte an der Akademie für Tonkun­st in München Dirigieren und Kom­po­si­tion. Zusam­men mit sein­er Frau, der Sän­gerin Auguste Dietz, grün­det Trapp 1927 in München eine pri­vate Musikschule, die sich Kon­ser­va­to­ri­um nen­nen durfte. Sein­er Heimat, die er im Lied „Meine Heimat ist Markt Erl­bach im schö­nen Franken­land” verewigte, blieb er lebenslang sehr ver­bun­den. Eugen Roth wid­mete ihm das Gedicht „Ein Men­sch, obwohl die Zeit ihm knapp, wün­scht den­noch Glück dem Jakob Trapp”.

Ignatz Schnei­der aus Bam­berg über­nahm 1860 die ansäs­sige Apotheke und wurde so zu einem der Hon­o­ra­tioren der Gemeinde auf. 1888 wählen ihn die Markt Erl­bach­er zum ersten Vor­sitzen­den des Eisen­bahnkomi­tees, er war for­t­an fed­er­führend am Bau der Eisen­bahn nach Markt Erl­bach beteiligt.

Johann Lorenz Kreul stieg in Nürn­berg, wohin die Fam­i­lie zog, zum begehrten Kun­st-und Porträt­maler auf: seine Auf­tragge­ber waren die Fürsten­höfe von Ans­bach und Bayreuth. In München malte er Köni­gin Therese, die Frau König Lud­wigs I. von Bay­ern, Jean Bap­tiste Bernadotte, den späteren König von Schwe­den, Graf Hard­en­berg sowie den Schrift­steller Jean Paul. Trotz­dem hielt er weit­er­hin auch Men­schen aus sein­er Heimat­stadt in Pastell fest.


Georg Eber­lein, geboren 1819 in Lin­den, machte sich vor allem um die Wieder­ent­deck­ung der schon bald zum nationalen deutschen Stil aus­gerufe­nen Gotik ver­di­ent: er deko­ri­erte die Burg der Hohen­zollern, restau­ri­erte den Erfurter Dom und die Aschaf­fen­burg­er Stift­skirche und stat­tete Schloss Licht­en­stein und die Veste Coburg aus. Seine Heimat hielt Eber­lein in der Ran­gau-Mappe, ein­er Samm­lung von 25 Aquarellen, fest.

Einen bedeu­ten­den Geistlichen besaß die Pfar­rei Markt Erl­bach in Samuel Wil­helm Oet­ter. Sein Inter­esse galt der Geschichte, der Vor- und Frühgeschichte, der Denkmal- und Archivpflege, der Wappen‑, Siegel- und Münzkunde sowie der Sprach- und Lit­er­aturgeschichte. 1774 grub er eine Rei­he vorchristlich­er Toten­hügel aus.

Luthers Mit­stre­it­er und Refor­ma­tor Cas­par Lön­er ver­fasste refor­ma­torische Texte, einen Kat­e­chis­mus, über 40 Kirchen­lieder sowie einen bedeu­ten­den Beitrag zur Augs­burg­er Konfession.

Exu­lanten aus Österreich

Als der Dreißigjährige Krieg 1648 mit dem west­fälis­chen Frieden endete, siedel­ten sich etwa 70 aus Öster­re­ich ver­triebene „Exu­lanten” in Markt Erl­bach an. Der tol­er­ante Mark­graf von Bran­den­burg Ans­bach gewährte ihnen Zuflucht zum eige­nen Nutzen, denn die tüchti­gen Handw­erk­er und Bauern rekul­tivieren das Land und bauen die zer­störten Häuser wieder auf.

Abdrücke von Dinosauriern

1949 fand ein Bauer beim Pflü­gen seines Ack­ers auf Sand­stein­plat­ten Spuren von Fährten land­be­wohnen­der Rep­tilien. Herr Won­dra, ein Bürg­er Markt Erl­bachs, und der ort­san­säs­sige Arzt Dr. Richard Met­zn­er bar­gen diese Fährten und ver­an­lassten wis­senschaftliche Unter­suchun­gen. In der Faunenkunde wer­den die bei­den Arten seit­dem als Chi­rotheri­um wondrai und Coelurosaurich­nus met­zneri Heller geführt. Die Tiefe der Abdrücke ver­rät das Gewicht der Tiere, ihre Geschwindigkeit ergibt sich aus der Stel­lung und den Abstän­den der Fußspuren. Abdrücke von nur den Hin­ter­beinen zeigen die Fähigkeit der Tiere, sich aufrecht auf zwei Beinen zu bewegen.

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Anfahrt und Kontakt 

Rangau-Handwerkermuseum

Haupt­straße 2, 91459 Markt Erlbach
09106–9293‑0, info@heimatverein-me.de
Ostern bis 1. Novem­ber: So+Ft 13–16 Uhr
www.rangau-handwerkermuseum.de
Besuch­stag: 5. Juni 2022
Autor: Rain­er Göttlinger