Metropole des Saiteninstrumentenbaus 

Eines der faszinierend­sten Museen, das der Autor je besucht hat, muß lei­der seit Jahren mit einem räum­lichen Pro­vi­so­ri­um auskom­men, das in auf­fäl­ligem Mißver­hält­nis zur welt­mark­t­führen­den Bedeu­tung des Buben­reuther Instru­menten­baus steht.

Allein schon die ergreifende Geschichte der heimatver­triebe­nen Geigen­bauer aus dem böh­mis­chen Musik­winkel, heute ein Teil Tschechiens, wäre es wert, raum­greifend erzählt und visu­al­isiert zu wer­den, darf sie doch als Beispiel für eine Neuan­sied­lung und Inte­gra­tion gel­ten, die bei­den Seit­en viel abforderte und aber den­noch so vor­bildlich gelang, daß wir Nachge­bore­nen heute nur staunen können.

Wir befind­en uns im Untergeschoß des ein­sti­gen Ver­wal­tungs­ge­bäudes der Fir­ma Fra­mus. Der welt­bekan­nte Name ste­ht für „Fränkische Musikin­stru­menten­erzeu­gung Fred A. Wil­fer KG”, ihr Grün­der wurde 1917 noch in der Nähe der Musik­stadt Schön­bach geboren. Die Fra­mus avancierte in nur zwei Jahrzehn­ten zur größten Gitar­ren­fab­rik Europas. Nur wenig später fol­gte ein über­raschen­der Konkurs, Gerüchte sprechen von fer­nöstlich­er Industriespionage.


Das ein­stige Ver­wal­tungs­ge­bäude dient heute als Rathaus, eine schmale Treppe führt hinab ins Untergeschoss, wo sich ger­adezu eine Welt auf­tut. Nicht nur für Musiker.

Derzeit noch ein Provisorium

Das merkt der Besuch­er aber erst auf den zweit­en Blick. Denn natür­lich sind die bei­den Keller­räume viel zu klein für all die prächti­gen Stücke, von denen gle­ich­wohl jedes einzelne vol­lkom­men unverzicht­bar ist, haben sie doch alle­samt musikalisch Welt­geschichte geschrieben.

Da ist zum Beispiel die Bass­gi­tarre Höfn­er H500/1, die Paul McCart­ney beim Auftritt der leg­endären Bea­t­les spielte und auch heute noch in Ehren hält. Das Buben­reuther Exem­plar ist hand­sig­niert: „All the best” schrieb der Ex-Bea­t­le als Gruß auf das perl­muttschim­mernde Griff­brett. Auch sein nicht min­der bekan­nter Band­kol­lege John Lennon wußte die böh­misch-fränkische Wer­tar­beit zu schätzen und spielte neben ein­er „Höfn­er Club 40” auch eine „Fra­mus-Hoo­te­nan­ny”. Und sie waren nicht die einzi­gen Pop­größen: Stones-Bassist Bill Wyman, der „deutsche Elvis” Peter Kraus und natür­lich der King of Rock’n Roll schwörten auf Instru­mente der Buben­reuther Fir­men Fra­mus, Höfn­er und Klira.

Abschied vom Egerland

Aber die Geschichte der Schön­bach­er Geigen­bauer will von Anfang an erzählt wer­den, und so ist die Ausstel­lung ja auch aufge­baut: chro­nol­o­gisch. 50 Kilo­gramm Gepäck durfte jed­er der Ver­triebe­nen mit­nehmen aus sein­er alten Heimat. Die namentlich beschrifteten Kof­fer und der Leit­er­wa­gen ste­hen ganz vorne, gle­ich neben der Tür, der orig­i­nale Ausweisungs­be­fehl ist in tschechis­ch­er Sprache ver­faßt, allein die Namen der Aus­gewiese­nen sind deutsch.

Wie schw­er den Men­schen der Abschied von ihrer geliebten Heimat gefall­en sein muß, spricht aus einem Ölbild des Malers Hel­mut Glaßl. Ein bren­nen­des Haus ist da zu sehen, ein umgestürztes Wegkreuz und ein Stein mit der Auf­schrift „in memo­ri­am des Egerlan­des”. Denn der „Musik­winkel”, ein über die Lan­des­gren­zen hin­weg reichen­der Wirtschaft­sraum, wurde als Folge des Zweit­en Weltkriegs durch die Vertrei­bung der deutschsprachi­gen Schön­bach­er und Graslitzer Bevölkerung, alle­samt Geigen­bauer oder Zulief­er­er, von den Siegern wil­lentlich zerstört.

Wie sollte man nur fern der Heimat den arbeit­steili­gen Instru­menten­bau weit­er­führen, wenn jed­er der Spezial­is­ten für Deck­en und Zargen, Hälse, Griff­bret­ter, Wirbel, Stege, Sait­en, Bögen und Lacke und nicht zu vergessen die Händler mit ihren weltweit­en Absatzmärk­ten, wenn jed­er von ihnen irgend­wo zwar ein neues Zuhause fände, man die Kom­po­nen­ten aber nicht mehr wie bish­er von Haus zu Haus würde weit­er­re­ichen können?

Und so beschlossen die Schön­bach­er Instru­menten­bauer, sich gemein­sam an einem Ort anzusiedeln. Einem, der aus Tra­di­tion für Ver­triebene aufgeschlossen war wie die Hugenot­ten­stadt Erlan­gen, oder wo der Geigen­bau bere­its seit Gen­er­a­tio­nen zuhause war wie im Ferienort Mit­ten­wald. Aber wed­er die einen noch die anderen waren von der Idee son­der­lich ange­tan. Ganz anders die kleine fränkische Gemeinde Buben­reuth: hier durften sie bleiben, ihre Häuser bauen und ihr Gewerbe weit­er ausüben.

Gelun­gene Integration

Wie sehr die 500 ges­tande­nen Franken und die 2000 Neuankömm­linge sich gegen­seit­ig wertschätzten, ist noch heute am neu konzip­ierten Buben­reuther Wap­pen abzule­sen: es zeigt links oben eine Geige und rechts unten einen Ack­erpflug. Das archais­che Gerät ein­er bäuer­lichen Min­der­heit als Sym­bol ein­er mod­er­nen und zukun­ft­sori­en­tierten Kom­mune? Unbe­d­ingt, denn sie waren es, die uns damals aufgenom­men haben, entsch­ieden die an Kopfzahl weit über­lege­nen ehe­ma­li­gen Schönbacher.

Nach­dem sie schon bald erfol­gre­ich an die Vorkriegspro­duk­tion hat­ten anknüpfen kön­nen, schlug den Neu-Buben­reuth­ern ihre große Stunde in den 1950er Jahren mit dem ein­set­zen­den Gitar­ren- und E‑Gi­tar­ren-Boom. Es ent­standen mehrere Gitar­ren­fab­riken, die pro Jahr rund eine halbe Mil­lion Instru­mente fertigten.

Der Erfolg kam mit den Beatles

Vor allem die bekan­nteste Band ever war es, die den Buben­reuther Instru­menten zu Berühmtheit ver­half: die Bea­t­les. Denn Pilzkopf McCart­ney schätzte die vio­lin­för­mige H500/1 nicht nur wegen ihrer achsen­sym­metrischen Bauweise, die dem Linkshän­der sehr ent­ge­gen kam. Das Instru­ment war zudem dank seines aus dem Geigen­bau entlehn­ten Kon­struk­tion­sprinzips auch ungewöhn­lich leicht.

Mit zunehmender Pop­u­lar­ität der Bea­t­les klet­terten auch die Pro­duk­tion­szahlen des „Bea­t­le-Bass” in ungeah­nte Höhen, so daß die Fir­ma mit der Pro­duk­tion kaum noch hin­ter­her kam.

Wie kam es zu diesem Wel­ter­folg? War es die Exper­tise im Geigen­bau? Natür­lich ist im Muse­um auch eine tra­di­tionelle Geigen­bau-Werk­statt aufge­baut. Mit welch­er Kun­st­fer­tigkeit man in Buben­reuth zu Werke ging, zeigen hier unter anderem die kun­stvoll-fil­igran aus­ge­führten Sch­neck­en, wie man das obere Ende des Geigen­halses nen­nt. Der Besuch­er erfährt zudem, daß eine Geige aus unter­schiedlichen Hölz­ern beste­ht: Fichte für die Decke, Ahorn für den Boden. Und daß ein Block Eben­holz, unverzicht­bar für das Griff­brett, schw­er­er ist als er aussieht.

Mit­be­grün­der des Geigen­bau­mu­se­ums ist der in Schön­bach geborene Gerold Karl Hannabach, seines Zeichens Gitar­ren­baumeis­ter, Fach­lehrer, 2. Ober­meis­ter der Innung, Sachver­ständi­ger und inter­na­tion­al gefragter Dozent. Ihm lag viel daran, das kul­turelle Erbe Schön­bachs und Buben­reuths nicht in Vergessen­heit ger­at­en zu lassen. 2002 wurde ihm, der in seinem Leben mehr als 4.000 Instru­mente gebaut hat­te, das Ver­di­en­stkreuz am Bande verliehen.

Tra­di­tion hier, Exper­i­men­tier­freude dort: die gesam­melten Stücke hal­ten so manche weit­ere Über­raschung bere­it. Eine E‑Gitarre mit einge­bautem Ver­stärk­er? Prak­tisch, aber im Spiel­be­trieb viel zu schw­er. Eine Reise­gi­t­arre mit klapp­barem Hals? Zum Wel­ter­folg brachte sie sie nicht. Und auch die Gitar­ren mit Kun­stleder­bezug muten heute befremdlich an.

Gerne wirft man aber noch einen Blick auf die Schälchen mit diversen Lack-Grund­stof­fen oder auf den Appa­rat zum Umwick­eln von Sait­en, bestaunt noch ein­mal die kle­in­ste spiel­bare Geige der Welt oder das Schächtelchen mit dem weltweit kle­in­sten Stre­ichquar­tett. Samt Bögen.

Die „Kriegs­geige”

Im Hin­aus­ge­hen fällt der Blick auf eine unschein­bare Geige, die offen­bar kein­er­lei Beson­der­heit­en aufweist. Genau das ist aber auch das Beson­dere an ihr, denn das edle Instru­ment ent­stand nicht etwa in ein­er Werk­statt, son­dern unter widrig­sten Umstän­den im Kriegs­ge­fan­genen­lager Glasen­bach, wo der Geigen­bauer Andreas Hoy­er eine Mil­itär­baracke nieder­reißen mußte und dabei einige gut aus­getrock­nete Ahorn- und Ficht­en­bret­ter fand. Aus Brennholz suchte er sich Mate­r­i­al für die restlichen Teile zusam­men und schuf im Laufe eines Jahres mit prim­i­tivstem Werkzeug ein Instru­ment, für das er schließlich sog­ar Farbe und Lack besor­gen kon­nte, um es spielfer­tig zu machen.

Dieses beson­dere Instru­ment ist heute ein­er der „hun­dert Heimatschätze”, die das Bay­erische Heimat­min­is­teri­um 2018 im Rah­men eines Wet­tbe­werbs aus­gelobt hatte.

RothenburgMuseum 

Anfahrt und Kontakt 

Vision Bubenreutheum

Birke­nallee 51, 91088 Bubenreuth
09131–9086158, info@bubenreutheum.de
So 14–17 Uhr, feiertags geschlossen
www.bubenreutheum.de
Besuch­stag: 10. Okto­ber 2020
Autor: Rain­er Göttlinger