Im Szépművészeti Múzeum 

Es ist windig und kühl, bei leichtem Niesel­re­gen: Muse­um­swet­ter! Vor den Kun­st­genuss im Szép­művészeti Múzeum (der schö­nen Kün­ste) von Budapest haben die Göt­ter jedoch zwei Schranken geset­zt: einen lan­gen schmiedeeis­er­nen Zaun und eine kaum min­der lange Warteschlange am Durch­lass. Dort drüben, wo die Grup­pen ein­ge­lassen wer­den, sollte man ste­hen. Der Ver­fass­er gibt sich als Kor­re­spon­dent für museen.de zu erken­nen, ern­tet aber nur Fin­gerzeige zurück in die Schlange. Erst als der Name der Dame fällt, die ihn vor­ab akkred­i­tiert hat, erhellt sich schla­gar­tig das Gesicht seines Gegenübers, und der Gast aus Deutsch­land wird mit aus­ge­suchter Fre­undlichkeit hinein gebeten, wo man ihn nicht nur mit einem Presseaufk­le­ber ausstat­tet, son­dern auch bit­tet, auf keinen Fall die Roman­is­che Halle zu ver­säu­men, auf die man hier offen­bar beson­ders stolz ist.

Und das zu recht, denn die ohne­hin schon ein­drucksvolle Haupthalle erfährt im his­torischen Anbau zur Linken nochmals eine innenar­chitek­tonis­che Steigerung. Man mag heute kaum glauben, dass dieser Muse­um­steil wegen des kriegsz­er­störten Daches jahrzehn­te­lang vor sich hin ver­fiel, als not­dürftig geflick­tes und vor der Öffentlichkeit ver­bor­genes Depot für in Ung­nade gefal­l­ene Gipsabgüsse. Und jet­zt? Säu­lenkapitelle, roman­is­che Stre­be­bö­gen mit fein aus­gear­beit­eter Orna­men­tik, und über allem ein paradiesisch anmu­ten­der Bilder­reigen mit Apfel­bäu­men, Pfauen, Ster­nen und spruch­band­tra­gen­den Flügel­we­sen mit Heili­gen­schein. Zurück­blick­end auf den Ein­gang fällt ein roman­is­ches Kirchen­por­tal mit Skulp­turen und Rund­bö­gen auf, wie es auch heute noch die großen europäis­chen Kathe­dralen schmückt. Man kön­nte bei alle­dem glatt darauf vergessen, auch auf den Fuß­bo­den zu acht­en, was aber ein Fehler wäre.

Alte Meis­ter

Die Michelan­ge­lo-Halle ist heute lei­der geschlossen. Halb so schlimm, denn die Gale­rien im oberen Stock­w­erk, das man über ein Mar­mortrep­pen­haus mit schön­er flo­raler Deck­engestal­tung erre­icht, beein­druck­en durch eine Fülle von Kunst­werken aus allen Stile­pochen, die jedoch alle eines gemein­sam haben: man erken­nt die zuge­höri­gen Kün­stler, wenn über­haupt, erst beim Blick auf das jew­eilige Täfelchen, mit nur weni­gen Aus­nah­men. Ein Cranach ist eben ein Cranach. Aber schon im Saal nebe­nan meldet sich nagen­der Zweifel: von Dür­er soll das sein? „Tula­j­donít­va” heißt „zugeschrieben“, und der Stil kön­nte hinkom­men, aber wo ist dann das berühmte Logo des Meis­ters? Sei’s drum, der wirk­lich ein­drucksvolle chro­nol­o­gis­che Rundgang durch jenen Teil der europäis­che Kun­st­geschichte, der hin­ter dem Eis­er­nen Vorhang jahrzehn­te­lang ein eher ver­bor­genes Dasein führte, bringt einen irgend­wann wieder hin­aus in die Mit­tel­halle, und der West­flügel genau gegenüber hat im Über­sicht­s­plan zwar eine Num­mer, ist aber aus­ge­graut. Kann es sein, dass dieser Teil noch nicht wieder eröffnet ist?

Mit­nicht­en! Den schon etwas ermüde­ten Augen ste­ht sogle­ich noch ein zweit­er, nicht min­der aus­giebiger Gang durch die Kun­st­geschichte des 17. und des 18. Jahrhun­derts ins Haus, mit schö­nen Land­schafts- und Blu­mengemälden und anmuti­gen, jedoch meist züchtig bedeck­ten jun­gen Damen in paradiesis­chen, auf jeden Fall aber ide­al­isierten Lebenswel­ten. Und ganz oben in der zweit­en und drit­ten Etage warten ja auch noch die europäis­che Skulp­tur mit schönem Holzschnitzw­erk sowie unterm Dach die altehrwürdi­ge ungarische Kun­st. Und ob das alles noch nicht genügte, gibt es im Untergeschoss eine nicht ger­ade kleine altä­gyp­tis­che und eine klas­sisch-griechis­che Samm­lung mit allem, was dazuge­hört: Mumien und mumi­fizierte Tiere, Vasen rot- und schwarz­grundig, Mar­morstat­uen, denen die Jahrtausende sicht­bar zuge­set­zt haben, römis­che Mosaike und vieles mehr.

Ägypten und Antike

Der Ein­gang zur ägyp­tis­chen Samm­lung befind­et sich ganz unten, gle­ich hin­ter den Schließfäch­ern. Aha, deshalb also die Tick­etkon­trolle an der Treppe. Ein ähn­lich­es Prinzip wal­tet auch dort, wo die laufende Son­der­ausstel­lung ger­ade viel Zus­pruch erfährt: kon­trol­liert hinein und vor den Kassen wieder her­aus. Nach der drit­ten oder vierten Runde, man will ja auch ins Café, sich stärken, avanciert der Tick­etabreißer am Ein­gang der Mit­tel­halle allmäh­lich zum guten Bekannten.

Der bere­its etwas ermat­tete Ver­fass­er will noch einen let­zten Blick auf die riesige Vide­owand in der Halle wer­fen, wo zu nahezu allen Kun­stschätzen des Haus­es durch Antip­pen Infor­ma­tio­nen abgerufen wer­den kön­nen. Auch zum Bild mit dem Kakadu. Kakadu? Wo wäre der denn gewe­sen? Ganz oben im aller­ober­sten Stock­w­erk, ver­rät die Medi­en­wand in tech­nisch-nüchtern­er Unschuld. Noch ein zweites Mal quer durchs Muse­um und dann hin­auf? Sei’s drum, der Kakadu muss sein.

Aber wo genau hängt nun das Papageibild? Die Saalauf­sicht schüt­telt auf die Frage, ob sie des Deutschen mächtig sei, bedauernd den Kopf. Englisch? Auch nicht. Vielle­icht der Kol­lege an der anderen Tür? A lit­tle bit. Aber auch er scheint nicht zu ver­ste­hen, welch­es Kunst­werk der nach dem Par­rot fra­gende Gast zu sehen begehrt. The bird? Aha, nun fällt der Forint, und auch der Ver­fass­er hat soeben etwas gel­ernt: das Gesuchte heißt auf ungarisch näm­lich „Papa­gaj”. Wie ein­fach doch die Welt manch­mal wäre, fiele man ohne langes Herum­tas­ten direkt mit der Tür ins Haus.

Tipps

Wer das wirk­lich sehenswerte Szép­művészeti Múzeum besuchen will, dem seien abschließend noch drei Tipps mit auf den Weg gegeben. Erstens: das Tick­et im voraus buchen. Zweit­ens: für die Anreise unbe­d­ingt die Metro M1 nehmen, denn die ist sel­ber ein Muse­umsstück und kostet pro Per­son weniger als einen Euro. Die Sta­tion heißt „Hősök tere” (Helden­platz). Drit­tens: rechts neben dem Muse­um (also links, wenn man es wieder ver­läßt) befind­et sich das berühmte Café Patis­serie Gun­del, das sich den Charme der Jahrhun­der­twende bewahrt hat, was vor allem am Ambi­ente und ins­beson­dere aber an der Live­musik liegt: beim Klang von Otschi tschorny­je, Her­nan­dos Hide­away oder dem Shostakovich-Walz­er Nr. 2 munden Capucchi­no und Eiskaf­fee natür­lich gle­ich nochmal so gut.

Bildstrecke (6 Fotos) 

Adresse und Anfahrt 

Szépművészeti Múzeum

Dózsa Györ­gy út 41, 1146 Budapest
+36–1‑4697100, info@mfab.hu
Di-So 10–18 Uhr
www.mfab.hu
Besuch­stag: 22. April 2022
Rain­er Göttlinger